ANGST ESSEN SEELE AUF
ANGST ESSEN SEELE AUF – Die Seele in den Zeiten des Coronavirus
Lothar Eder
Angst essen Seele auf hieß ein Film des deutschen Filmemachers Rainer Werner Faßbinder in den 1970er Jahren. Der Titel ist zutreffend und er trifft vor allem in der aktuellen Zeit der Coronakrise zu.
Um gegen die zu schnelle Verbreitung des Virus vorzugehen, und zum Schutz von Risikogruppen hat die Regierung weitreichende Maßnahmen beschlossen, wie sie in Deutschland seit der Gründung der Bundesrepublik nicht bekannt waren. Es gilt ein weitreichendes Kontaktverbot und Menschen müssen einen Sicherheitsabstand voneinander halten. Am besten sollen alle zu Hause bleiben und nur für notwendige Besorgungen das Haus verlassen. Und täglich bekommen wir von den Medien neue Horrorzahlen und Horrorbilder über die aktuellen Todesfälle geliefert. Viele Geschäfte müssen geschlossen bleiben und Selbständige, kleine Unternehmer, aber auch Arbeiter und Angestellte fürchten um ihre Existenz. Menschen, vor allem Alleinstehende und alte Menschen, vereinsamen. Es steigt die Gefahr von familiärer Gewalt, da nun alle aufeinanderhocken. Manche Experten prophezeien auch eine Zunahme der Selbstmordraten. Am Ende heißt es dann vielleicht: Operation gelungen, Patient tot.
Die Krise erzeugt Stress und Angst. Genauer gesagt erzeugt sie ein Angstfeld. Wir Menschen sind Wesen, welche die emotionalen Schwingungen von anderen aufnehmen (Stichwort „Resonanz“). In diesem unbewußten Prozess entsteht ein „Mitschwingen“. In einem Angstfeld schwingen wir also – sicherlich in unterschiedlicher individueller Ausprägung – selbst in der Frequenz „Angst“. Somit tragen wir selbst dazu bei, dass das Angstfeld aufrechterhalten wird.
Was können wir als einzelne tun? (nicht nur in Zeiten von Corona)Es beginnt mit dem Verstehen: Das Wort Angst kommt von lateinisch „Angustia“. Angustia bedeutet „Enge“. Wenn wir Angst haben, kontrahiert unser Zwerchfell, der Atem wird flacher und unsere Spannung im Körper verstärkt sich. Die Anspannung, die bei einer Bedrohung entsteht, ermöglicht uns prinzipiell die klassische Kampf- oder Fluchtreaktion. Wird die Spannung jedoch nicht gelöst, so kann sie zur chronischen Enge oder Starre werden. Dies ist nicht nur ein unangenehmer, sondern auch ein ungesunder Zustand. Denn er verwehrt uns, in die Entspannung zu kommen. Der (parasympathische) Entspannungsmodus ist wesentlich für Verdauung, Regeneration, Erholung und für das Immunsystem.
Dauerstress macht krank. Chronische Angst schädigt das Immunsystem.
Was also können wir tun?
Ich möchte hier einige hilfreiche Prinzipien und Techniken vorstellen:
Die 3 Hilfsprinzipien des Selbst:
- Selbstermächtigung (Empowerment)
- Selbstliebe
- Selbstregulation
Selbstermächtigung
Hier
werden wir uns bewußt, dass wir die Dinge zumindest zu einem Teil selbst in der
Hand haben. Dieses Prinzip wird auch Selbstwirksamkeit
genannt. Ich wähle hier den Begriff der Selbstermächtigung,
weil er auf die gewaltige Kraft hinweist, die in uns schlummert, wenn wir uns
unserer eigenen Ressourcen bewußt werden. Die Sätze der Selbstermächtigung
lauten z.B. „ich bin nicht hilflos ausgeliefert!“. „Ich suche nach
Möglichkeiten, wie ich mir etwas Gutes tun kann“. Oder: „Ich nehme das in die
Hand, was ich selbst beeinflussen kann“ (Finden Sie Ihre eigene Formulierung,
die genau für Sie paßt und stimmig ist!)
Wichtig: Bitte nicht mit Selbstüberschätzung verwechseln! Es ist hier nicht die
Rede von Größenwahn oder Heldentum. Selbstermächtigung wirkt eher leise und im
Kleinen. Motto: Wenn ein Baum gefällt wird, macht es mehr Krach als ein ganzer
Wald, der wächst.
Selbstliebe
Achtung:
nicht verwechseln mit Egoismus oder Narzißmus! Selbstliebe ist eine
freundliche, zugewandte Haltung mir selbst gegenüber. Sie zeigt sich v.a. dann,
wenn es mir schlecht geht. Viele Menschen lehnen sich im Stillen selbst ab. Wir
tun dies pradadoxerweise vor allem dann, wenn wir (Selbst)Zuwendung am
nötigsten haben. Also dann, wenn wir einsam, ängstlich, traurig oder voller
Schmerz sind. Wenn wir in einer dunklen Stunde liebevoll bei uns selbst sind,
sind wir nicht verloren. Beobachten Sie einmal, wie Sie zu sich selbst sind,
welche Bewertungen sich in Ihnen ereignen, wenn es Ihnen schlecht geht. Und versuchen
Sie, dies umzuwandeln – in eine freundliche und liebevolle Haltung.
Selbstregulation
Die
positive Selbstregulation ist gewissermaßen der technische Teil der Selbst-Hilfe und setzt Selbstermächtigung
und Selbstliebe voraus.
Selbstregulation bedeutet: ich nehme Einfluss auf das seelische und
psychosomatische Geschehen in mir, und zwar so, dass mehr Wohlbefinden
entstehen kann.
Wie geht das? Ich will versuchen,
dies am Beispiel der Angst kurz zu skizzieren.
Unser erster Fehler ist meist, dass wir versuchen, einen unangenehmen Zustand
gedanklich zu lösen. Wir stellen in der Regel fest: das funktioniert nicht. Die
Lösung liegt meist nicht im Äußeren (z.B. der Situation, welche unseren
unangenehmen Zustand ausgelöst hat). Lösung
ist ein Körperwort. Lösung geschieht
psycho-somatisch. Sie geschieht im Zusammenspiel von Leib und Seele.
Worauf haben wir Einfluss? Auf das Verhalten anderer Menschen? – wenig bis
gar nicht. Auf Umstände, Situationen, Gegebenheiten? – bedingt, und oft nur
unter großer Anstrengung. Worauf habe ich den größten Einfluss? Auf mich
selbst, bzw. meinen Zustand.
Worauf muss ich Einfluss nehmen, wenn ich mich regulieren will? Antwort:
bevorzugt auf meinen körperlichen Zustand. Ich meine hier nicht: mehr Bewegung,
Sport oder bessere Ernährung, obwohl dies alles sehr wichtige Faktoren sind.
Ich meine den Zustand meines Organismus auf der Achse Spannung – Entspannung. Nehmen Sie sich Zeit. Spüren Sie in
sich hinein: wie fühlen Sie sich? Ich meine nicht „gut“, schlecht“, „so lala“
oder ähnliches. Ich meine WIE FÜHLEN SIE SICH? Spüren Sie den Zustand Ihres
Körpers? Spüren Sie, wie er sich anfühlt, JETZT? Spüren Sie Ihren Atem?
Der
Weg aus der Angst führt über den Atem und setzt die positive Hinwendung zu sich
selbst voraus.
Nehmen Sie sich Zeit. Begeben Sie sich an einen Platz, an dem Sie sich
wohlfühlen. Spüren Sie, wie Ihr Körper sich anfühlt und spüren Sie vor allem
Ihren Atem. Seien Sie dabei nicht kritisch oder bewertend – alles was Sie an
Empfindungen vorfinden, ist so in Ordnung, wie es gerade ist.
Wenn es sich gut anfühlt, legen Sie eine Hand oder auch beide auf den Bauch oder
die Brust und spüren Sie die Bewegung des Atems. Wenn der Bauch fest ist,
lassen Sie ihn weich werden (d.h. geben Sie dem Zwerchfell mehr Raum). Seien
Sie sanft dabei – der sanfte Wind höhlt den harten Stein. Erzwingen Sie nichts.
Und: egal was geschieht oder nicht geschieht, seien Sie liebevoll mit sich.
Nehmen Sie sich einige Minuten Zeit oder auch länger. Und bedenken Sie: Diese
Art des Übens hilft am besten, wenn man sie wiederholt. Vielleicht mögen Sie es
sich zur täglichen Gewohnheit werden lassen. Denn Sie putzen sich ja auch
regelmäßig die Zähne.
Ich wünsche Ihnen gutes Gelingen und einen entspannten Atem!
Lothar Eder
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